Uni Tübingen an Bord des Peace Boat
Bereits zum zweiten Mal kann das Peace Boat eine Gruppe von Überlebenden der Atombombenangriffe auf Hiroshima und Nagasaki (Hibakushas) an Bord begrüßen. Die heute 70-85 Jährigen haben es sich zur Aufgabe gemacht, Menschen weltweit über ihr Schicksal zu informieren und für eine nuklearwaffenfreie Welt einzutreten. Unsere Begegnung mit diesen 10 Hibakushas am heutigen Tag war ein ganz besonderes Ereignis für unsere Gruppe. Dieses Treffen war ein zentraler Schwerpunkt bei unserer Vorbereitung auf die Exkursion. Die Schilderungen der Hibakushas haben wir auf Video festgehalten, um sie auch anderen Interessierten in Deutschland zugänglich zu machen.
Zu Beginn berichtete uns Herr Nimi, der zum Zeitpunkt des Bombenabwurfs auf Hiroshima sechs Jahre alt war, von der Zerstörung des Hauses seiner Familie und den schweren Verletzungen, die seine Mutter davontrug. Die Zeit danach war unvorstellbar schwierig für die Überlebenden, da es weder Nahrungsmittel noch Obdach gab und kaum organisierte Nothilfe von außen. Sein erster Sohn erkrankte schon im Säuglingsalter an Krebs und starb als junger Erwachsener daran. Sein zweiter Sohn wurde von seiner Freundin verlassen, als diese erfuhr, dass sein Vater ein Hibakusha war. Auch die anderen Hibakushas bestätigten, dass sie und ihre Nachkommen auch heute teilweise noch diskriminiert werden, wenn sie einen Partner oder einen Job suchen. Herr Nimi betonte, dass die Hibakushas kein Thema der Vergangenheit sind, sondern die Spätfolgen der schrecklichen Ereignisse auch die nachfolgenden Generationen betreffen und betreffen werden.
Da die Zeit im Workshop viel zu schnell vorbei ging, freuen wir uns sehr, dass wir am Freitag die Hibakushas nochmals für eingehende Interviews treffen können, bei denen wir die Gelegenheiten haben, weitere Fragen zu diskutieren.
Anne & Nadine
Die meisten Japaner verlassen das Peace Boat im Hafen Izmirs in Gruppen, mit Kopfbedeckung und Rucksack ausgerüstet. Die meisten von ihnen haben sich zu einem Overnight-Trip in der Türkei angemeldet. Als “Kawasaki” stellt sich der Herr vor, der weder Sonnenhut noch Rucksack, stattdessen aber Mantel und Gehstock mit sich führt. Als er an der Gruppe vorbeigeht zeigt er sich ausgesprochen kommunikationsfreudig, verwickelt Francois in ein Gespräch, etwas Englisch etwas Deutsch.
Als wir eine Stunde später an der Rezeption ein Briefing von unserem Koordinator Ruben, aus El Salvador, erhalten, kommt Kawasaki-San zurück an Bord und spricht mit Ruben etwas Spanisch. Ruben erzählt uns, dass Kawasaki-San Schriftsteller, Autor von über 50 Büchern über die japanische Kultur und das fünfte Mal auf dem Peace Boat dabei ist.
Später sitzt Kawasaki-San in traditionellem Gewandt an der Bar vor einem Gläschen Weisswein oder schwebt über Deck und sammelt dabei Fotos mit deutschen Studierenden.
phil
Die letzten Tage haben die Koordinatoren an Bord mit den japanischen Passagieren in freudiger Erwartung der Ankunft der deutschen Studierenden nicht nur die Namen jedes Einzelnen unserer Gruppe geübt sondern auch ein paar essentielle Brocken Deutsch gelernt. Die japanischen Herren die von Bord steigen können es kaum erwarten diese an uns, die wir dort vor dem Boat in der Sonne stehen und darauf warten auf dem Peace Boat einchecken zu können, auszuprobieren: “Hallo.”, “Guten Tag.” – “Ich liebe dich.” … und dann kichern sie und halten sich die Hand vor den Mund. “Es ist ein schöner Tag.”
phil
Als Vorbereitung für die an Bord stattfindende Begegnung mit den Hibakushas überlegten wir uns Fragen zu den für uns interessantesten Schwerpunkten. Mit Jasna und Mr. Fiser brachen wir dann gen Hafen auf, wo wir bereits das als kleinen weißen Punkt am Horizont wahrzunehmende Peaceboat sich langsam nähern sahen.
Plötzlich rückte das Unfassbare in greifbare Nähe: Ein Schiff mit all’ den Menschen und ihrer jeweiligen Lebensgeschichte, das Peaceboat selbst mit seiner eigenen Geschichte und unsere Vorbereitung und freudige Erwartung auf diese Exkursion trafen in diesem Moment aufeinander.
Während viele der japanischen Passagiere sich auf den Weg nach Izmir machten und uns dabei freundlich mit “Guten Tag”, “Wie geht’s” etc. begrüßten, wurden wir von Ruben, unserem Koordinator sowohl herzlich als auch sehr persönlich empfangen: Er hatte all’ unsere Namen parat und konnte sie den Gesichtern zuordnen. Wie dies möglich war, sollten wir später an Bord erfahren (siehe folgendes Bild).
Die anschließende – von Ruben geleitete – Tour durch das Schiff beeindruckte uns alle und endete mit einem interaktiven Japanisch-Crashkurs/Refresher.
Während des ersten japanischen Essens an Bord fanden erste Begegnungen mit den Japanern an Bord und statt.
Im anschließenden Workshop diskutierten wir mit Mr. Fiser das Thema “Krieg in Ex-Jugoslawien”. Zu den von uns gestellten Fragen eröffnete er uns seine persönliche Sichtweise. Dabei behandelte er insbesondere die Thematik der Kriegsursachen. So legte er sein Augenmerk auf ethnische, religiöse und wirtschaftliche Faktoren. “Wie ist es möglich, dass Menschen, die Nachbarn sind – und das über einen langen Zeitraum hinweg – plötzlich einander bekriegen?”, war dabei eine der prägnanten Fragen.
Mr. Fiser informierte uns über verschiedenste Hintergründe der kriegerischen Auseinandersetzungen, indem er beispielsweise auf die geschichtliche, politische und wirtschaftliche Dimension Bezug nahm: Politische und militärische Machtverschiebungen, die Zusammensetzung der einzelnen Gruppierungen, die Entwertung des Geldes während der Inflation etc.
Als Ergebnis der Diskussion kann festgehalten werden, dass nicht ein einziger Faktor als Ursache für den Konflikt zu benennen ist. Vielmehr existieren viele Faktoren, die sich gegenseitig bedingen, wobei jedoch die verschiedenen Kriege in Ex-Jugoslawien getrennt voneinander betrachtet und untersucht werden sollten. Viele sich daraus ergebende Fragen wurden nach dem Workshop noch weiter diskutiert und früher oder später fanden sich alle in ihren Kajüten ein, um die erste Nacht sanft in den Schlaf gewogen zu werden.
Bettina
Was für ein Tag! Heute morgen haben wir uns auf den Weg gemacht um Izmir zu erkunden. Asli hat für uns einfach alles geregelt. Du willst ein Glas, Granatapfelsaft? – kein Problem, bestell ich Dir! Privatführung vom Iman durch die Moschee? Geht klar! (s.u.) Hintergrundinfos zum politischen Islam? Hab ich parat! Wir wären einfach nur verloren gewesen ohne Asli!
Abends kamen Yasna, die uns auf dem Peace Boat betreuen wird und Nenad Fiser. Es gab eine herzliche Begrüßung und die beiden gaben uns ein paar sehr beeindruckende Einblicke in ihr Leben. Yasna kommt aus Bosnien und koordiniert seit 1994 das Studenten-Programm auf dem Peace Boat. Nenad Fiser kommt ebenfalls aus Bosnien. Er musste während des Krieges das Land verlassen und arbeitet heute als Experte am Internationalen Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien (ICTY). Auch beim anschließenden Essen berichtete Nenad von seiner Arbeit. Alsbald entstand eine spannende philosophische Diskussion, bei der eines sehr schnell klar wurde: „You can either be precise or you can be clear". Phänomenal, was Nenad Fiser da mal eben locker an spannenden Gedanken aus dem Ärmel schüttelte. Hier kamen mathematische Modelle, Politikwisschenschaft, Nietzsche, Informatik, fernöstliche Philosophie, Gerechtigkeit, Propaganda, Religion und der Balkan zusammen und kaum einer, der sich in Hörweite befand, konnte sich dem Gespräch entziehen. Gebannt lauschten wir faszinierenden Gedankengängen, die mit unglaublich viel Herzblut und Klarheit vorgetragen wurden. Vielen Dank für diesen schönen Abend! Morgen geht’s aufs Peace Boat – Wir sind ja so aufgeregt!
In diesem Blog berichten Studierende der Uni Tübingen über die Peace Boat Exkursion 2009. Vom 2. bis 10.10. reisen wir von Izmir (Türkei) über Piräus/Athen (Griechenland), Dubrovnik (Kroatien) nach Civitavecchia/Rom (Italien). Im Rahmen von Workshops und Präsentationen an Bord und während der Landgänge behandeln wir folgende Themen: Vergangenheitsbewältigung, die Kriege in Ex-Jugoslawien, den griechisch-türkischen Konflikt, politischer Islam, etc.
Dieser Blog erfährt Aktualisierungen so wie es uns möglich ist in den Hafenstädten oder über die Satelitenverbindung des Schiffs neue Beiträge online zu stellen.
Die Studienfahrt wird auch in diesem Jahr aus Mitteln der Fakultät für Sozial- und Verhaltenswissenschaften und des Unibundes der Universität Tübingen bezuschusst. Wenn Sie Interesse daran haben, dieses Projekt zu unterstützen, wenden Sie sich bitte an das Institut für Politikwissenschaft, Abteilung Internationale Beziehungen, Friedens- und Konfliktforschung der Uni Tübingen.